Dienstag, 8. September 2015

Narzisstische Gewalt

Die Gewalt, die ein Narzisst gegen sein Opfer ausübt, wird als kalte Gewalt beschrieben und erfahren. Kalte Gewalt ist berechnete, geplante Gewalt, Gewalt, die kognitiv gesteuert ist, die nicht also im Affekt passiert, emotionslose Gewalt. Neben dieser durchläuft ein Narzisst aber auch Affekte, in denen er die Kontrolle über sich verlieren kann. Erkennbar ist diese an Wutausbrüchen, Rageanfällen, verbalen Entgleisungen, Übergriffigkeiten gegen Gegenstände, körperlichen Angriffen.

Narzisstische Gewalt ist im Narzissten "immer" vorhanden. Der Persönlichkeitsgestörte lebt in einem Verhaltensmuster der Daueraggression gegen die Menschen, die er kennenlernt oder schon länger kennt.


Anfängliche Gewalt

Auch am Anfang einer Verbindung, hier ist die Gewalt zwar kaum sichtbar, viele Opfer bemerken diese nicht, ist seine Aggression vorhanden, lediglich verborgen. Noch sind die Opfer "naiv" und vertrauen darauf, ggf. einfach einen freundlichen Menschen getroffen zu haben.  Warnsignale der doch sehr positiven Selbstdarstellung seiner Person, ignorieren sie einfach, wenn sie sie auch bemerken. Er versucht die Gewalt, geheim zu halten und lebt sie stellvertretend an bereits vorhandenen Opfern aus, damit das neue Opfer nicht verschreckt die Flucht ergreift. Seine kühle Gewalt zu verbergen, kostet ihn viel Kraft und große Anstrengung. Dies nimmt er in Kauf, wünscht sich aber, dass er möglichst schnell zu seinem Ziel kommt, das Opfer einzulullen, um dann seine Aggressionen nicht weiter unterdrücken zu müssen.

Die Gewalt beginnt also kaum erkennbar, direkt von Anfang an der Begegnung, sie steigt subtil in Wellen an und mündet teilweise affektunkontrolliert in körperlicher Gewalt. Nach einer Eskalation, die das Opfer von ihm wegtreibt, ist er bemüht, Frieden und Versöhnung herzustellen, um dann erneut den nächsten Wellenschlag an Gewalt gegen das Opfer zu vollziehen. Auch aber die Friedensbemühungen, die er zwischen seinen Anschlägen auf das Opfer konstruiert, ist, da es kein echtes Begehren nach Frieden im Narzissten gibt, ein gewaltsamer Akt gegen das Opfer (Lüge/ Manipulation/ Illusion).

Der Narzisst euphorisiert das Opfer in der Kennenlernphase sehr gezielt (Manipulation). Er triggert durch positive Worte, positive Gesten, dass das Opfer beginnt, sich für ihn zu interessieren, sich binden zu wollen. Der Narzisst hört in anfänglichen Gesprächen mit dem Opfer sehr gut zu, da es hilfreich ist, sich Themenbereiche zu erschießen, die dem Opfer Spaß machen. So kommt das Opfer zu der Einschätzung, endlich DEN Partner für sich gefunden zu haben, nach dem es gesucht hat. Es findet sich im falschen Interessensverhalten des Narzissten wieder. Gleiche Themen, die verbinden, gleiche Hobbies, die verbinden, gleicher Musikgeschmack, der verbindet, lassen es glauben, dass Gemeinsamkeiten bestehen. Manche Narzissten nutzen sogar das Internet, um das Opfer schon ganz am Anfang auszuspionieren und Themen zu finden, worauf das Opfer anspringt.

Gemeinsamkeiten bestehen nicht wirklich. Dies wird sich im weiteren Verlauf der Beziehung zum Narzissten zeigen.


Mittel zur Gewaltausübung

Das Hauptwerkzeug, das ein Narzisst benutzt, um sein Opfer zu destabilisieren, ist die Kommunikation, intensiviert sich die Bindung zum Opfer folgt ggf. auch körperliche Gewalt.

Seine Gewalt kann sehr subtil in seiner Sprache versteckt sein, sodass das Opfer diese mehr auf emotionaler Ebene spürt. Dies erschwert es dem Opfer, die Gewalt, die es erlebt, in Worte fassen zu können, um sie anderen hilfesuchend zu beschreiben.

Teilweise ergehen nur Andeutungen, abwertende Betonungen, das fortwährende Leugnen, das Opfer als gleichwertigen Gesprächspartner anzuerkennen, abkehrende Körperhaltung, verschrobene Mimik. Tunlichst wird untergraben, dass das Opfer in Diskussionen den eigenen Standpunkt vertreten kann. Eine gegenteilige Meinung des Opfers wird vom Narzissten als Angriff auf sein Ego, seine Intelligenz, seine Lebenserfahrung deklariert, aber auch vorgegeben, so empfunden zu werden. Ziel ist jedoch lediglich, das Opfer zu nötigen, eine Person zu werden, die nicht eigenständig denken kann und darf, damit diese nicht weiterhin fähig ist, des Narzissten Kränkbarkeit zu bedienen oder damit gut dominiert werden kann.

Er ist ständig hochsensibel, geradezu penibel in der Wahrnehmung von Kritik gegen ihn. Er fixiert sich sogar darauf, in Sätzen des Opfer Kritik zu finden. Wenn diese nicht vorliegt, wird sie einfach unterstellt. Vermeintliche Kritik wird dann anschließend vom N. mit emotionaler, psychischer, verbaler oder auch körperlicher Gewalt bekriegt.

Der Narzisst will, auf  Lange Sicht betrachtet, das Opfer zum Schweigen bringen, damit die narzisstische Bemächtigung gelingt, damit seine Masken nicht erkannt werden.


Der Narzisst hat dabei das Langzeitziel vor Augen, die komplette Macht über das Opfer zu übernehmen, um sich des Opfers Kompetenzen und Vorzüge jederzeit, nach seinem Gutdünken, bedienen zu können, aber auch um in/ auf ein Gegenüber blicken zu können, das ihm ebenbürtig gemacht ist, was seine Wahrnehmung für ihn betrifft. Kritik gegen ihn darf es daher nicht geben, diese würde ja bedeuten, dass sein grandioses Selbst ins Wanken geraten könnte, dass er in einen Spiegel blickt, der nicht dem eigenen inneren Spiegel seiner Person entspricht. Das Opfer soll gefälligst genau das Konstrukt spiegeln, das er über sich in sich  selbst geschaffen hat. Es soll die Illusion, die er für sich und andere über sich erzeugt, anerkennen und wertschätzend pflegen und mit ihm gemeinsam leben. Im Grunde sucht er nach Anerkennung des Bildes, das er in sich selbst von sich erzeugen musste, um überhaupt noch überleben zu können.

Er möchte, dass das Bild, das er von sich in sich trägt, geliebt wird. Nur diese Bild, nicht er selbst, dies könnte er nicht zulassen. Würde er es zulasssen, anzuerkennen, dass er geliebt wird, nicht das Bild, das er von sich erzeugt, müsste er an den emotionalen Fähigkeiten des Opfer zweifeln, denn in ihm findet er selbst eben nichts, das tatsächlich liebenswert ist.

Einerseits also schiebt er dem Opfer unter, ihn kritisiert zu haben, dies beugt ggf. dem vor, dass das Opfer tatsächliche Kritik äußert, ein Verwirrungsspiel also, das er teilweise präventiv spielt. Er will erreichen, dass das Opfer beteuert, ihn doch nicht im geringsten kritisiert zu haben. Hieraus zieht er dann auch wiederum Bestätigung. Gleichzeitig möchte er erreichen, dass das Opfer auch gar nicht darauf kommt, ihn jemals zu kritisieren. Er will die Vermeidungshaltung des Opfer erreichen, ihn tatsächlich zu kritisieren.


Er verdreht die Aussagen des Opfer "immer und immer wieder", er verteidigt seine Verdrehungen und wiederholt sie wie eine Schallplatte über Monate hinweg. Strukturierte Gespräche, die das Opfer mit ihm vollziehen möchte, um Klarheit für beide Seiten zu erzielen, werden sabotiert, können allenfalls, falls das Opfer stur in einer Struktur bleibt, momentane Zugeständnisse erwirtschaften. Diese sind oftmals am nächsten Tag schon wieder "vergessen". Das Opfer wird nach Konfliktlösungsgesprächen überrascht und genervt feststellen, dass es keine echte Konfliktlösung gab, diese nur vorgetäuscht wurde. Entweder gibt das Opfer irgendwann auf, echte Klärung zu erwirtschaften, oder es wird sich in immer neue Gespräche hineingezogen finden, die niemals eine echte Klärung zulassen. Auch ein Themenheft anzulegen, das genau dokumentiert, welche Lösungen errungen wurden, dies wird der Narzisst, sollte er zugestimmt haben, in Folgesituationen vernichtend kommentieren und torpedieren. Lösungen werden "niemals" umgesetzt, langzeitig positive Gefühle schaffen oder Bestand haben. Eine Lösung würde ja bedeuten, dass beide Seiten zugestehen, Fehler gemacht zu haben, dies aber kann ein Narzisst nicht zulassen. Errungene Lösungen werden verbal oder durch kontraproduktives Verhalten zerschlagen, zerstört.

Schuld zu verschieben, selbst wenn sie keine Rolle im Denken des Opfer spielt, dies ggf. nur nach Lösungen und Klarheit sucht, ist eine seiner "Lieblingsstrategien", das Opfer dauerhaft zu schwächen. Interessant wird es, wenn das Opfer sich klar gegen die übertragene Schuld stellt, weil es dort nicht zu packen ist. Er wird versuchen, es dennoch genau dort zu penetrieren, wo er einen verborgenen oder verdrängten Schuldkomplex beim Opfer vermutet. Diesen kann er nur vermuten, weil er ihn selbst in sich trägt. Er ist es, der Schuldzerfressenheit in sich trägt. Sie will er lediglich am Opfer abarbeiten, um Entlastung für sich selbst zu finden. Gewaltsam stülpt er dem Opfer seine inneren Schuldmuster über. Er wird noch gewaltvoller, wenn er merkt, dass das Opfer resistent ist. Seine Sprache ist vorwurfsvoll, beschuldigend, voller Behauptungen. Mit der Strategie der Schuldverschiebung vertauscht er beiläufig die Täter-Opfer-Rolle, er ist nun das arme Opfer, dem Unrecht getan wurde. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Streitende sich zunächst mit gegenseitigen Beschuldigungen überziehen, um nach einem Frustrationsabbau dann aber zu gemeinsamen Lösungen zu kommen. Der N. aber kommt über den Frustrationsabbau "niemals" hinaus. 

Seine Resistenz dagegen, Lösungen zu finden, also die Konflikte beilegen zu wollen, bleibt fortwährend erhalten. Er verdächtigt, beschuldigt, bezichtigt das Opfer und beißt sich an seiner Wahrnehmung fest. Dies geht sogar soweit, dass er das Opfer verleumdet. Seine Selbstlügen werden zu Lügen, mit dem das Opfer überhäuft wird, teils ohne es zu merken, teils so offensiv, dass das Opfer deutlich wahrnimmt, dass Reales Geschehen, dem es beiwohnte völlig verzerrt wird. Narzissten sind Meister der Lügen, Lügenbarone, die selbst dann noch weiterlügen, wenn ihre Lügen entlarvt und bewiesen sind. Beweismittelvernichtung, Bagatellisierung, Ausblenden der Lügenentlarvung folgt als nächster gewaltsamer Schritt gegen das Opfer. Nicht selten reagiert der Narzisst zur Lügenvertuschung mit emotionalen Erpressungen, Manipulationsversuchen, aber auch mit echten Erpressungen. Der N. ist so hartnäckig, dass er, je nachdem, wie destabilisiert er das Opfer einschätzt, auch dazu übergeht es zu bedrohen oder zu nötigen, wahre Aussagen gegen ihn, zurückzuziehen.

Bleibt das Opfer stur, lässt sich nicht beirren, werden die Repressalien erhöht. Seine letzte Konsequenz ist es, den Kontakt scheinbar abzubrechen, um das Opfer zu bestrafen und durch Aufmerksamkeitsentzug, Bindungsentzug zum Parieren zu bringen. Wenn das Opfer nicht einsieht, dass es so mit dem N. nicht umzugehen hat, dann ist es seine Aufmerksamkeit auch nicht wert. Er vermittelt dem Opfer also Wertlosigkeit. Bevor er sich aber distanziert, lässt er das Opfer mit aggressiven Beleidigungen und Beschimpfungen zurück, um sich nach einer kurzen Ruhephase erneut vorstellig zu machen, ggf. kurz auch mal Reue zu zeigen, dann aber in gleiche Kreisläufe wie zuvor zurückzuspringen.

Nicht selten bricht er in Endlosmonologe aus, die dem Opfer keine Möglichkeit bieten, sich zu äußern, er erhebt dabei seine Stimme, weitet die Themen aus, überschüttet das Opfer mit negativen Interpretationen, er redet auf das Opfer ein, Dialoge auf Augenhöhe sind so nicht möglich. Das Opfer ist in diesen Phasen genötigt, nur noch zuzuhören, seine Tiraden über sich ergehen zu lassen. Kommt es dann endlich zu Wort, er fordert dann auch Rechtfertigungen, wird  es schon nach wenigen Sätzen erneut überfrachtet mit neuen Monologen. Beendet das Opfer ein solches Gespräch, also z. B. ein Telefonat, dann ruft er penetrant zurück, um einfach fortzufahren. Dem Opfer wird in einer solchen Situation bewusst, wie viele Themen inzwischen ungeklärt sind und bleiben, der Berg wird im Laufe der Zeit auch immer größer, der ihm vorgetragen wird. 

Je länger er das Opfer kennt, je weniger es sich beirren lässt, desto aggressiver geht er vor. Er verstärkt seine Repressalien, überspringt teilweise auch die Gesprächseinheiten, die Klärung früher noch zuließen, das Opfer erhält immer weniger Möglichkeiten, sich tatsächlich äußern zu können. Wurde der Kontakt erst einmal zum Opfer abgebrochen, passiert die immer häufiger, so kommt es zu lächerlichen Trennungen, die in immer kürzeren Zeitabständen passieren. Er ist nur kaum noch Ernst zu nehmen, dies aber merkt er selber nicht. Zieht das Opfer sich entgegen seiner Annahme selbstbestimmt zurück, merkt er, dass er sich "verspielt" hat, umgehend startet er mit der Opfereinlullung, damit er wieder Zugang findet, in gleicher Manier fortzufahren. Seine Gewaltausübung mündet in bedrohlichen Gebährden, bedrohlichem Körpereinsatz, leider auch in körperlicher Gewalt. Kommt er an diesen Punkt, wird deutlich, dass er die Kontrolle komplett verloren hat über sich, auch die Rageanfälle (Wutmonologe) weisen bereits auf einen Kontrollverlust hin, den er erleidet.


Die narzisstische Gewalt beginnt schleichend, steigt bis zu einem Höhepunkt an (Opferentkrönung), danach folgt die Phase der Opferberuhigung und Einlullung, es folgt die nächste Gewaltkurve, die schon deutlich aggressiver wird als die vorherige, die einen neuen Höhepunkt erreicht, es folgt dann wieder Honeymoon (Phase der Besänftigung, Einlullung), dann folgt die nächste Phase der Gewalt usw. Die Phasen werden dabei immer kürzer, Honeymoon kann auch mal wegfallen, dann länger wegfallen, mal kurz wieder aufflackern. Insgesamt ist zu beobachten, dass die Gewalt, je länger oder intensiver die Verbindung zum Opfer ist, deutlicher und aggressiver ausgelebt wird. Positive Phasen werden zunehmend kürzer, weniger leidenschaftlich und basieren zum Schluss eher auf Wiederholungen weniger Sätze, die das Opfer bereits kennt.